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Edguy / Kottak - Essen, Grugahalle - 25.10.2011
Freitag, der 30.09.2011, ein herrlicher Spätsommertag. Groß ist die Vorfreude auf den Abend, denn auf dem Plan stehen EDGUY, die in der Essener Grugahalle im Rahmen ihrer "Age Of The Joker"-Welttour auftreten sollen. Besser kann man sich kaum auf das anstehende Wochenende einstimmen. Doch zur Mittagszeit dann die jähe Enttäuschung: das Konzert muss abgesagt werden, weil Sänger Tobias Sammet eine Kehlkopfentzündung hat.
Etwas mehr als drei Wochen später wird das Konzert dann nachgeholt. Leider nicht an einem Freitag, sondern mitten in der Woche an einem Dienstagabend. Der Verschiebung fallen auch die beiden Vorbands FULLFORCE und KLEVELAND zum Opfer, was man allerdings nicht allzu tragisch finden muss. Mit dabei ist aber immer noch SCORPIONS-Schlagzeuger James Kottak mit der nach ihm selbst benannten Band KOTTAK. Die lange Schlange am Eingang der Grugahalle verkleinert sich schnell, als die Türen aufgemacht werden und auch an der Garderobe ist nicht allzu viel Andrang. Hat man die Location vielleicht doch ein bisschen zu optimistisch ausgesucht? Es hat den Anschein, denn auch der Innenraum der Halle ist mit Vorhängen stark verkleinert worden, während der Konzerte hat man aber immer noch ganz gut Platz um sich herum. Zunächst wird jedoch Bier aus viel zu kleinen Plastikbechern getrunken und sich unterhalten, bevor man sich auf den Weg in den Innenraum macht, um wenigstens noch ein paar Songs von KOTTAK mitzubekommen. Da ist der Fotograben allerdings schon wieder zu.
Der hauptberufliche Schlagzeuger steht bei seiner Soloband mitsamt Gitarre am Mikrofon und macht dort eine ganz ordentliche Figur. Es ist anzunehmen, dass EDGUY auf der Tour mit den SCORPIONS beschlossen haben, ihrerseits KOTTAK mit auf die Reise zu nehmen. Musikalisch passt diese Kombination aber nur bedingt. Der punkige Rock'n'Roll, den KOTTAK zocken, hat mit dem Melodic Metal von EDGUY an sich nicht viel gemeinsam - außer dass er für gute Laune beim gut mitgehenden Publikum sorgt. In der Tat haben KOTTAK heute Abend leichtes Spiel mit den Essenern und bekommen für ihre Songs mehr als nur Höflichkeitsapplaus. Ein Drumsolo lässt James sich natürlich nicht nehmen und auch ein Cover seiner Hauptband hat den Weg in die Setlist gefunden: "Holiday", das balladesk beginnt und dann in eine schnelle Rotzrock-Nummer umgewandelt wird. Etwas gewöhnungsbedürftig, aber nett gemacht. Natürlich lässt sich James auch nicht lumpen und bedankt sich bei "Time To Say Goodbye" überschwänglich bei EDGUY fürs Mitnehmen, beim Publikum fürs Mitmachen und überhaupt - ein bisschen übertrieben wirkt sein Gehabe schon, aber soll er ruhig auf Rockstar machen, wenn es gut ankommt, zumal er auch ein recht sympathischer Zeitgenosse zu sein scheint. Als dann für den letzten Song "Rock & Roll Forever" Felix Bohnke und Tobias Exxel von EDGUY zum Mitrocken auf die Bühne kommen, brandet natürlich extra lauter Jubel auf. Nicht weltbewegend, was KOTTAK zu bieten haben, aber als Einheizer fungieren sie ziemlich gut.
Für EDGUY ist es dann ein Leichtes, einen draufzusetzen, denn das Publikum frisst ihnen heute buchstäblich aus der Hand. Von der Bühne grinst einen der Joker vom Albumcover zwischen zwei dicken Amp-Wänden überdimensional entgegen, ansonsten verzichtet man weitestgehend auf optische Gimmicks und behält nur eine Überraschung in der Hinterhand. Im Internet konnte man vorher schon lesen, dass die Band eine extragroße Lichtshow auffahren würde und es ratsam sei, eine Sonnenbrille aufzusetzen. Das entpuppt sich jedoch als Ente, denn das Licht ist zwar schön bunt und abwechslungsreich, aber weder außergewöhnlich hell, noch sonst anders als bei anderen Konzerten. Die Band, allen voran Sänger Tobi beweist mit ihren Outfits wie immer, dass der Grat zwischen cool und albern ein schmaler ist. So ist Tobis Leopardenhalstuch ein bisschen zuviel des Guten, das dezente schwarz-in-schwarz-Leopardenmuster in Dirk Sauers Beinkleid dagegen eher stylish. Ansonsten wirken die Jungs immer noch wie die netten Schwiegersöhne von nebenan, die einen auf Rocker machen, daran wird sich in diesem Leben wohl auch nichts mehr ändern. Auch nicht an der Spielfreude und der Agilität, mit der wirklich alle über die Bühne fegen. Man sieht jedem einzelnen EDGUY an, wie viel Spaß er daran hat, da oben zu stehen und seine Songs zu spielen und zu singen. Dass sich so viel gute Laune dann auch auf das Publikum überträgt, verwundert nicht.
Los geht es - etwas überraschend - nicht mit dem Opener des aktuellen Albums, sondern dem an zweiter Stelle platzierten "Nobody's Hero". Eine gute Wahl, denn die knackige, flotte Nummer macht mehr Druck, als es das schwerfällige "Robin Hood", das erst später im Set auftaucht, tun würde. Weiter geht es mit dem noch etwas schnelleren "The Arcane Guild", bevor mit "Tears Of A Mandrake" der erste Klassiker ausgepackt wird. Starker Einstieg, der für den weiteren Verlauf einiges erwarten lässt. EDGUY haben sich vorgenommen, das neue Album ausgiebig live zu präsentieren und so folgen zunächst "Pandora's Box", bei dem Gitarrist Jens auch live die Lap-Steel-Gitarre spielt und das stimmungsvolle "Rock Of Cashel", das live natürlich bestens funktioniert. Danach wird die unvermeidliche "Lavatory Love Machine" angeschmissen - ist ja schon ein lustiger Song, den man auch schön mitsingen kann (was Tobi mit dem Publikum übertrieben lang übt), aber wenn man die Nummer von Anfang an nur ganz nett fand, ist man ihrer irgendwann auch überdrüssig. Ähnliches gilt für die anderen beiden Songs ähnlicher Machart, nämlich "Superheroes" und "King Of Fools", die auch beide noch gespielt werden. Da könnte man ruhig mal eine spannendere, selten präsentierte Nummer statt einem dieser Songs spielen. Hier böte sich heute "Mysteria" an, zumal KREATORs Mille sich den EDGUY-Auftritt auch anschaut.
Nach der Stewardessen-Fantasie geht es "Behind The Gates To Midnight World", wobei der lange, düstere Song sich nicht gerade als perfekter Livesong entpuppt. Vom Großteil des Publikums unbemerkt schleicht sich Tobi danach zum Mischerpult, wo eine bunt dekorierte Hebebühne ihn mitten im Pulk in die Höhe hievt. Von dort aus singt er "Superheroes" und feuert Silberpapier in die Menge. Nette Einlage. Weiter geht es mit einem anderen Superheld, nämlich "Robin Hood", bevor Felix Bohnke seine Künste in einem zu langen Solo präsentieren darf, das in "Ministry Of Saints" überleitet. Wer wie der Verfasser dieser Zeilen auf einen alten Song wartet, bekommt dann "Vain Glory Opera" zu hören - "Out Of Control" wäre aber noch schöner. Danach verabschiedet sich die Band, kommt aber für zwei weitere Zugaben auf die Bühne zurück. "Land Of The Miracle" ist wohl eine der tollsten Balladen, die Sammet je geschrieben hat, bevor das bereits erwähnte "King Of Fools" den Schlussstrich zieht. Spielerisch über jeden Zweifel erhaben, engagiert und souverän präsentieren sich EDGUY an diesem Abend. Lediglich die Setlist kann da nicht ganz mithalten, denn eine Mischung aus neuen Songs und Standards ohne größere Überraschungen ist halt doch ein bisschen bieder.